Visuelle Barrierefreiheit ist ein oft unterschätzter, aber entscheidender Aspekt moderner Innenarchitektur. Sie bezieht sich auf die Gestaltung von Räumen, die Menschen mit Sehbehinderungen, Sehschwächen oder altersbedingtem Sehverlust ermöglichen, sich sicher und unabhängig zu bewegen und zu orientieren. Ein Raumkonzept, das visuelle Barrierefreiheit berücksichtigt, geht weit über ästhetische Aspekte hinaus. Es handelt sich um eine funktionale und inklusive Herangehensweise, die darauf abzielt, Räume für alle zugänglich und nutzbar zu machen – von öffentlichen Gebäuden wie Ämtern, Bibliotheken und Museen über Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bis hin zu Bildungs- und Arbeitsstätten. In Anbetracht einer alternden Gesellschaft und steigender Zahlen von Sehbeeinträchtigungen gewinnt diese Thematik zunehmend an Bedeutung.
Die Welt, in der wir leben, ist stark vom Sehen geprägt – etwa 80 Prozent aller Informationen nehmen wir über unsere Augen auf. Wenn sich die Sehkraft aus unterschiedlichsten Gründen verschlechtert – sei es durch Krankheit, Unfall oder altersbedingt – leidet die Selbstständigkeit der Betroffenen erheblich. Barrierefreie Innenräume bieten in solchen Fällen mehr Sicherheit und Unabhängigkeit und steigern so die Lebensqualität, ohne dass Betroffene ständig auf fremde Hilfe angewiesen sind.
GESTALTUNGS-PRINZIPIEN FÜR VISUELLE BARRIEREFREIHEIT
Ästhetik und visuell barrierefreie Gestaltung sind kein Widerspruch in sich. Es braucht lediglich ein Mitdenken von Anfang an, ein funktionierendes Farb- und Gestaltungskonzept, der besonderen physiologischen und psychologischen Bedürfnissen der Nutzer*innen entgegenkommt. Bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes muss ein Ausgleich zwischen Designsprache, Information und Orientierung stattfinden und folgende 4 Prinzipien enthalten:
1. Kontrast und Farbe
Für die Sicherheit und Orientierung sehbehinderter Menschen sind nicht nur Farbkontraste, sondern vor allem Leuchtdichte- (Helligkeits-)kontraste entscheidend. Zwei Farben können zwar als Komplementärfarben wirken, aber ohne den nötigen Helligkeitsunterschied wirken sie für die Betroffene nahezu identisch. Der erforderliche Leuchtdichtekontrast – also das Verhältnis der Helligkeit benachbarter Flächen – hilft, Raumstrukturen wie Wände, Stützen, Türen, Treppen, Möbel, Handläufe und Schilder klar voneinander abzugrenzen. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von dunklen Bodenbelägen in Kombination mit hellen Wänden oder Möbelstücken. Aber auch der gezielter Einsatz von Farbe hilft, den Raum klar zu strukturieren, bestimmte Stimmung zu erzeugen und visuell Signale im Raum zu setzen. Entscheidend für den funktionierenden Innenraum ist daher die gleichzeitige Verwendung von gestalterischem Farbeinsatz und den notwendigen Leuchtdichtekontrasten.
2. Beleuchtung
Eine ausgewogene Beleuchtung, die sowohl natürlich als auch künstlich blendfrei wirkt, ist unerlässlich, um Kontraste optimal wahrnehmen zu können. Zu wenig oder zu intensive Beleuchtung sowie starke Schlagschatten können Fehlinterpretationen hervorrufen und sogar Gefahren mit sich bringen. Ein gut konzipiertes Beleuchtungskonzept kombiniert verschiedene Lichtquellen – etwa indirektes Licht, wegeleitende Lichtbänder oder großflächige Leuchten. Smarte Systeme, die sich automatisch an wechselnde Lichtverhältnisse anpassen, tragen zusätzlich dazu bei, jederzeit optimale Sichtverhältnisse zu schaffen.
3. Materialien und Oberflächen
Die gelungene Interaktion von Farbe, Licht und Textur bildet das Fundament eines ganzheitlichen Raumkonzepts. Ausgewählte Materialien unterstützen nicht nur sehbehinderte Menschen dabei, Räume besser zu erfassen, sondern erfüllen zugleich wichtige Sicherheitsanforderungen und schaffen eine emotionale Atmosphäre. Entscheidend für die visuelle Barrierefreiheit ist dabei, reflektierende oder spiegelnde Oberflächen zu vermeiden – diese können aufgrund der Blendempfindlichkeit der Betroffenen wichtige Informationen verdecken und zu optischen Täuschungen führen.
4. Wegeleitsystem
Der notwendige Leuchtdichtekontrast gilt auch für Informationstafeln und Beschilderungen in öffentlichen Räumen. Neben einem hohen Kontrast – beispielsweise weiße Schrift auf dunklem Hintergrund – müssen Schilder groß, gut lesbar und verständlich gestaltet sein. Ergänzend können akustische Signale, wie bei Türöffnungen oder in Fahrstühlen, zusätzliche Orientierung und die Selbstständigkeit fördern.
BARRIEREFREIHEIT IST DER SCHLÜSSEL ZU EINER INKLUSIVEN ZUKUNFT. LASSEN SIE UNS GEMEINSAM RÄUME ENTWICKELN, IN DENEN SICHERHEIT, UNABHÄNGIGKEIT UND LEBENSQUALITÄT FÜR JEDEN ZUR REALITÄT WERDEN KANN.
Olga Wagner, Freie Innenarchitektin
FAZIT: MEHR ALS EINE DIN-VORGABE
Visuelle Barrierefreiheit ist mehr als nur eine DIN-Vorgabe – sie ist ein entscheidender Schritt hin zu einer inklusiven und zugänglichen Gesellschaft. Räume, die für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich sind, sind letztendlich für alle Nutzer sicherer und angenehmer.
Planen Sie ein Projekt oder benötigen Sie Unterstützung bei der Gestaltung barrierefreier Innenräume? Mit unserer Expertise helfen wir Ihnen gerne dabei, Räume zu schaffen, die wirklich für alle zugänglich sind!